Wie es zum Thema unserer heutigen Wanderung passt, nehmen wir den Weg zum Startpunkt mit öffentlichen Verkehrsmitteln über die Straße, weil die Bahn ihre Brücken im Aggertal saniert.
Auf diese Weise lassen wir die schöne Landschaft in gemütlichem Tempo vorbeiziehen und kommen durch Dörfer, deren Namen wir noch nie gehört haben.
Am Bahnhof Marienheide finden wir gleich die erste Infotafel zum Bergischen Streifzug 9, dem Fuhrmannsweg. Wir lesen hier – wie auf den sieben weiteren auf unserem Weg – Wissenswertes und Histörchen rund um das Leben und die Arbeit der Bergischen Fuhrleute bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, als der Lastwagen das Pferdefuhrwerk verdrängte.
Wie sich bei der Vortour zeigte, ist der Wanderweg so gut ausgeschildert, dass wir auf den Blick in die Karte verzichten können und stattdessen wie bei einer Schnitzeljagd wandern: von Zeichen zu Zeichen immer der weißen 9 auf rotem Grund folgend. So entdecken wir die Landschaft, gehen über schmale Pfade und breite Wirtschaftswege, passieren Wildwechsel und überqueren die Bahnlinie und wenige Straßen. Es geht durch tiefe Mischwälder, in denen wir uns noch ein paar restliche Heidelbeeren schmecken lassen, und an Streuobstwiesen mit friedlich grasenden Rindern vorbei. So manche Brachfläche, die ein Sturm in den Wald gerissen hat, explodiert in den leuchtenden Farben des Fingerhuts und vieler anderer Blüten. Dazu lässt die intensive Sonne die Nadelbäume im Wald und die Rosen in den Gärten duften.
Gegen Mittag legen wir an der DLRG-Station der Brucher Talsperre eine kleine Pause ein. Das Wasser verlockt zum Schwimmen – aber wir wollen doch wandern! Wir möchten heute nicht nur Natur, sondern auch ein bisschen Kultur tanken, und das heißt: noch ein paar Kilometer langsam bergauf gehen. In Müllenbach, dem Wendepunkt des Weges, öffnet Michael Lang extra für uns das „Haus der Geschichten“, in dem wir eintauchen in die Welt der kleinen Leute, die früher hier im Bergischen wohnten, lebten und arbeiteten – Kinder, Männer und Frauen. Viele der ausgestellten Sachen kennen wir noch aus unserer Kindheit, und wir sind froh, dass diese enge, oft von tiefer Armut geprägte Zeit für uns Vergangenheit ist. Ein paar Schritte weiter steht die evangelische Kirche, deren Grundmauern im 11. Jahrhundert erbaut wurden. Sie ist eine der fünf noch erhaltenen romanischen „bonten Kerken“ im Bergischen Land; einige Fresken aus dem 14. Jhd. wurden wieder freigelegt. Hier kommen wir für eine Weile zur Ruhe, ehe wir uns auf den Rückweg machen, am südwestlichen Ufer der Talsperre entlang.
Im „Backstübchen“ in Marienheide stärken wir uns für die lange Rückfahrt – wieder sind wir gut zwei Stunden mit dem Bus unterwegs, ehe wir unseren Ausgangsort Siegburg erreichen. Am Ende sind wir uns einig: es war ein langer Tag, aber kein langweiliger.
Marlene Böse